Theater Erfurt
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Theaterplatz 1

99084 Erfurt

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Beschreibung

rühe Theaterformen
Im Mittelalter entstanden vielerorts aus der Liturgie und den Prozessionen anlässlich hoher kirchlicher Feiertage geistliche Spiele, sicherlich auch im reichen Erfurt. Die Oster- und Passionsspiele wurden in Kirchen und auf Plätzen aufgeführt, auch in den Räumen des Jesuitenordens wurde schon früh Theater gespielt. Das Geschehen der geistlichen Spiele wurde im Laufe der Jahre durch weltliche Szenen ergänzt, so dass sich daraus eine eigenständige dramatische Kunstform entwickelte.

Wandertruppen
Weltliches Theater brachten wandernde Schauspieltruppen bis ins 19. Jahrhundert hinein in die größeren Städte. Sie spielten in vorhandenen Sälen, oder man errichtete für sie einfache hölzerne Theater. Erfurt stellte für Theaterveranstaltungen sein Ballhaus und dessen Gartenpavillon zur Verfügung – vermutlich seit 1756. Es handelt sich um den heutigen Kaisersaal in der Futterstraße. Da Erfurt keine Residenzstadt war, gab es hier trotz der Größe und Bedeutung der Stadt noch keine Institution, die ein festes Theater getragen hätte. Die Stadt blieb bis zum Ende des 19. Jahrhunderts auf Wanderbühnen und die Gastspiele des Weimarer Hoftheaters angewiesen, das von 1791 bis 1795 unter der Leitung Goethes einen anspruchsvollen Spielplan durchzusetzen versuchte. Eine Neufassung von Friedrich Schillers Don Carlos kam hier zur Uraufführung. Das Theater in der Futterstraße erlebte noch einmal große Kunst, als anlässlich des Erfurter Fürstenkongresses 1808 Napoleons Hofschauspieler der „Comédie Française“ vor den gekrönten Häuptern Europas auftraten. Unter den Mitwirkenden war der berühmteste Schauspieler seiner Zeit, François-Joseph Talma, im Orchester spielte der später sehr bekannte Komponist Louis Spohr.

Entstehung des Stadttheaters
1877 wurde dort, wo das bisherige Opernhaus steht, ein Theater errichtet. Es konnte mit 1150 Plätzen aufwarten, blieb aber zunächst ohne eigenes Ensemble. Opern- und Schauspielvorstellungen wurden vom Coburg-Gothaischen Hoftheater, zeitweise auch vom Hofschauspiel Dresden und vom Münchner Theater am Gärtnerplatz gegeben. 1894 beginnt die Geschichte des eigenen Ensembles, später als in anderen großen deutschen Städten. Das erste „Stadt-Theater“ wurde am 15. September 1894 eröffnet. Zwei Jahre zuvor hatte die Stadt das bestehende Gebäude übernommen und vollständig umgebaut, finanziert von Erfurter Bürgern. Nunmehr bot es 1025 Plätze. Den Theaterbetrieb leitete ein Direktor, der das Haus als Dreisparten-Theater wie damals üblich auf eigene Rechnung pachten und betreiben musste.

 

Vom Stadttheater zum Deutschen Volkstheater
1919 gelangten mit dem Ende der Monarchie die deutschen Hoftheater unter die Obhut der Länder und Städte. 1923 konnte sich auch die Stadt Erfurt der finanziellen Absicherung ihres Theaters nicht länger entziehen. William Schirmer, der bisherige Pächter und verdienstvolle Theaterdirektor, wurde erster städtischer Intendant. Seitdem steuert die Stadt Erfurt den Hauptanteil zur Finanzierung des Theaters bei. Seit 1925 gab es als künstlerische Ergänzung zum Haupthaus die „Kammerspiele im Stadthaussaal“. Dort – in der heutigen Meister Eckehart-Straße – wurden vor allem Gegenwartsstücke und Kammeropern aufgeführt. Mit der Zeitschrift „Der Kontakt. Erfurter Bühnenblätter“ entstand ein literarisch anspruchsvolles Publikationsorgan, das die Theaterarbeit begleitete.

Der dritte Intendant, Dr. Paul Legband, führte das Theater von 1930 an bis in die NS-Zeit hinein. Im Februar 1933 konnte noch die Uraufführung von Kurt Weills und Georg Kaisers Der Silbersee (parallel mit Leipzig und Magdeburg) stattfinden. Kurz darauf bestimmten auch in Erfurt die Vorgaben des „Kampfbunds für die deutsche Kultur“ den Spielplan. Das Stadttheater Erfurt wurde in „Deutsches Volks-Theater“, die „Kammerspiele“ in „Reichshallentheater“ umbenannt. Noch heute wird die Erinnerung an den Orchestermusiker Ernst Fink wach gehalten, der nach einer Denunziation Opfer der Willkürjustiz der Nazis wurde.

Die „Städtischen Bühnen“ der DDR-Bezirksstadt
Der Krieg hatte das Theatergebäude verschont. Schon am 21. Juli 1945 begann der Theaterbetrieb hier mit einem „Bunten Abend“. Die Nachfrage nach Theaterkarten überstieg das Platzangebot um ein Mehrfaches. Die Stadt übernahm darum das ehemalige Vereinshaus „Ressource“ im Klostergang, in dem 1948 unabhängig vom Stadttheater kurzzeitig das „Theater des Tanzes“ unter Henn Haas Platz gefunden hatte. Am 29. August 1949 wurde mit Goethes Iphigenie auf Tauris das heutige Schauspielhaus als „Neues Theater“ eröffnet. Nun gab es 740 Plätze mehr. Doch obwohl die Bühnenmaße denen der Stadttheater-Bühne angeglichen waren, bemerkte man schon damals baulich bedingte Einschränkungen.

1956 wurde das Haus im Klostergang in Schauspielhaus und das „Stadttheater“ in „Opernhaus“ umbenannt. Nach der Umquartierung des Balletts ins Opernhaus baute man 1957 den Probensaal des Schauspielhauses zur „Kleinen Bühne“ um, einem Zimmertheater mit 94 Plätzen. Nur der freiwillige und zusätzliche Arbeitseinsatz der Theatertechniker hatte die Einrichtung dieser Bühne ermöglicht, die als „schönstes und technisch am besten eingerichtetes Zimmertheater der DDR“ bezeichnet wurde. Dramatische Versuche ergänzend zum „Großen“ Spielplan wurden zur Diskussion gestellt und viele junge Künstler hatten Gelegenheit zum Ausprobieren ihrer kabarettistischen und musikalischen Talente. Experimentiert wurde in diesen Jahren leidenschaftlich. Die Städtischen Bühnen Erfurt konnten mit besonders vielen Uraufführungen für sich werben. Auch für seine internationalen Verbindungen und erfolgreichen Gastspiele, so u. a. in Polen und Litauen, war das Ensemble bekannt. Unter der künstlerischen Leitung von Klaus Schleiff gastierten Mitglieder des Schauspielensembles sogar mit einem literarisch-musikalischen Programm in Hannover.

Unter Generalintendant Bodo Witte (ab 1965) entwickelte sich das Theater zur größten Kultureinrichtung des damaligen Bezirks Erfurt. Die Künstler, die bislang die kabarettistisch ambitionierten Programme der Kleinen Bühne getragen hatten, bildeten den Kern des künftigen Kabarettensembles „Die Arche“, und aus dem Leitungsteam der Arbeitsgemeinschaft Puppentheater im Kinder- und Jugendfreizeitzentrum Petersberg ging das professionelle Puppentheater hervor. Beide Ensembles bildeten seit Beginn der Achtziger Jahre als „Sparten“ der Städtischen Bühnen Erfurt das „Theater Waidspeicher“, benannt nach ihrem Spielort, einem leerstehenden mittelalterlichen Waidspeicher, den die Stadt Erfurt zur dritten Spielstätte der Städtischen Bühnen aus- und umbauen und damit vor dem Verfall retten ließ.

Bodo Witte schuf sich mit Generalmusikdirektor Ude Nissen, Operndirektor Günter Imbiel (ab 1983/84 Manfred Straube), Ballettmeisterin Sigrid Trittmacher-Koch, Schauspieldirektor Ekkehard Kiesewetter und dem Sänger-Darsteller und Regisseur Joachim Franke ein künstlerisch hochpotentes Leitungsteam. Es bildete die Voraussetzung für Produktionen wie Porgy und Bess, West Side Story und Cabaret, als Krönung einer Serie einzigartiger Musical-Inszenierungen. Den Musiktheaterspielplan bereicherten Werke wie André Chenier, Geschichte von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke und Erdbeben in Chili und zahlreiche Ballett-Uraufführungen. Im Schauspiel blieben u.a. in Erinnerung Report über ein amerikanisches Pop-Festival , Baal und Traktor/Schlacht. Im Vorfeld der Umbruchsituation 1989 spielte man Schauspielinszenierungen von großer politischer Brisanz wie Die Ritter der Tafelrunde von Christoph Hein oder zwei Vaclav-Havel-Stücke. Mit dem Verlesen von Resolutionen trugen die Künstler der Städtischen Bühnen Erfurt zur gewaltfreien Veränderung der Gesellschaft im Jahre 1989/1990 bei.

Das Theater der Landeshauptstadt
Auch am Theater selbst vollzog sich der damit verbundene Übergang zu neuen personellen und organisatorischen Strukturen im Konsens zwischen alter und neuer Leitung. Dem neuen Generalintendanten Dietrich Taube oblag nun ab der Spielzeit 1991/92 die von der Kommune getragene Umstrukturierung der Städtischen Bühnen Erfurt zum Theater Erfurt. Das dem Publikum sichtbarste Zeichen war die Ausgliederung des Theaters Waidspeicher. Diese Reduzierung des künstlerischen Angebots wurde in eindrucksvoller Weise durch die Gründung der DomStufen-Festspiele in der Landeshauptstadt (1994) ausgeglichen. Die DomStufen-Festspiele errangen inzwischen bei einer mittlerweile internationalen Zuschauergemeinde institutionelles Gewicht und bilden einen wichtigen Faktor im kulturellen Leben der Landeshauptstadt Erfurt.

Mit Beginn der Spielzeit 1997/98 musste das Opernhaus wegen baulicher Mängel endgültig geschlossen und der gesamte Spielbetrieb auf die beiden Bühnen des Schauspielhauses verlagert werden. Einschränkungen im Spielplanangebot waren unvermeidlich, doch sie sollten den Zuschauern nicht weiter zugemutet werden. Für eine Übergangszeit wurde ab Mai 1999 am südlichen Stadtrand an der Thüringenhalle das Kuppel Theater als vollgültige Spielstätte auch für großes Musiktheater errichtet.

Mit der Schließung des Opernhauses 1997 fiel auch die Entscheidung zugunsten eines Theaterneubaus in Erfurt. Zunächst wurde der „Hirschgarten“ als Bauplatz ins Auge gefasst. Noch 1996 begann der Abriss der im Volksmund „Schiffshebewerk“ genannten Bauruine gegenüber der Staatskanzlei im Herzen der Stadt. Bereits zu Beginn der Achtziger Jahre war hier der Bau eines Konzerthauses mit Kongress-Nebenfunktion in Angriff genommen worden. Noch 1997 wählte die Jury eines internationalen Architekturwettbewerbs aus 67 Beiträgen den Entwurf von Professor Friedrich und Partner aus Hamburg/Düsseldorf als den besten aus. Nachdem die Finanzierung gefährdet schien, ergab sich durch den Wechsel des Bauplatzes aufgrund höherer Fördermittel eine Lösung. Im April 1999 erfolgte am neuen Standort im Brühl am Mainzerhofplatz, nur wenige Schritte hinter dem Dom gelegen, der erste Spatenstich und am 14. September 2003 die Eröffnung des zukunftsweisenden Theaterneubaus mit der Uraufführung der Oper Luther von Peter Aderhold.

Bereits 2002 hatte Guy Montavon die Generalintendanz übernommen. Unter seiner Leitung profiliert sich das Theater Erfurt durch seine innovative Spielplanpolitik und internationale Koproduktionen. So gibt es pro Saison eine Opern-Uraufführung und eine Opern-Ausgrabung. Einer der ersten künstlerischen Höhepunkte war die Uraufführung der Oper Waiting for the Barbarians von Philip Glass 2005 mit Gastspielen in Amsterdam, Austin und London.