Sommer 1989: Nach dem Tod seiner Freundin und dem Verschwinden seines
Katers verlässt Edgar, Germanistikstudent aus Halle, sein bisheriges
Leben mit einer Tasche in der Hand und Georg Trakl im Kopf. Sein
unbestimmtes Ziel ist Hiddensee, die mythische Insel, ein für den
normalen DDR-Bürger nahezu unerreichbarer Ort. Ed gelingt es, im
„Klausner“ als Abwäscher anzuheuern. Hier begegnet er Alexander
Krusowitsch, genannt Kruso, der ihn in die Geheimnisse der Insel
einweiht. Denn Hiddensee ist der Strand der Gestrandeten, jener
Gestalten, die es nicht mehr im Arbeiter-und-Bauern-Staat hält und die
all ihre Hoffnung auf eine gefährliche Flucht über das Meer richten.
Edgar wird in ein System jenseits der Systeme eingeführt, eine
anarchische Gemeinschaft im Schatten der Sicherheitszone. Unsichtbar für
Tagestouristen und Armee, hat Kruso die Insel längst unterwandert.
Seine Mission ist eine Freiheit jenseits der Systeme und Festländer,
seine Utopie ist die Insel selbst als Ort außerhalb der Zeit. Der
Wirklichkeit eines erstarrten Staates setzt er seine Gegenwirklichkeit
aus erfundenen Ritualen gegenüber, der Geschichte seine Gegenmythologie.
Ed, der mehr vor sich selbst geflohen ist als irgendwohin, wird für
einen Sommer zum „Freitag“ für den „Robinson“ Kruso. Doch dann kommt der
Herbst. Was groß war, erscheint lächerlich. Das kleine Glück wird
wichtig. Und wer jetzt kein Haus hat, gehört den Fluten.
Lutz
Seiler ist mit „Kruso“ ein großer Roman über die letzten Tage der DDR
gelungen, der mit seinem Inselbild eine geräumige Metapher für das
Verschwinden schafft. Seiler fängt die Widersprüchlichkeit der Mauer als
Gefängnis und gleichzeitig Schutz ein — weniger vor irgendwelchen
Feinden als vielmehr für eine andere Zeitrechnung. Für „Kruso“ erhielt
Lutz Seiler den Deutschen Buchpreis 2014.
Armin Petras hat sich
in vielen Arbeiten mit biographischen Umbrüchen, die mit dem
Verschwinden einer Idee einhergehen, beschäftigt. „Kruso“ ist dafür eine
gute Vorlage, weil das Buch von der Möglichkeit und Unmöglichkeit einer
Gruppe erzählt; Geschichte als Geschichten von Menschen, deren Weg nie
geradlinig ist. Seilers Roman birgt eine Menge solcher Geschichtsstücke:
Konflikte zwischen Alltag, Körpern und Ideologien. Theater eben.
Spielort:
Große Bühne
Tickets:
ab 13,00 €
Weitere Informationen unter:
http://www.schauspiel-leipzig.de/service/
Foto: © Rolf Arnold