Boris Schumatsky, Jg. 1965, ist ein russisch-deutscher Schriftsteller und Publizist. Bücher: Roman „Silvester bei Stalin“, Essayband: „Der neue Untertan“; Roman „Die Trotzigen“.
Adam Soboczynski, ZEIT Nr. 35 vom 18.8.2016: „Mit dem Essayband, sagt Schumatsky, habe er sich großen Ärger eingehandelt. Wenig verwunderlich: Es handelt sich um eine glühende Abrechnung mit dem linken Milieu, das ihm in den ersten Jahren in Deutschland eine Heimat geworden war. Schumatsky berichtet in dem Buch von einer tiefen Entfremdung während des Ukraine-Konflikts. Er habe mit Bestürzung wahrgenommen, mit welcher Skepsis, ja Ablehnung seine Freunde zunächst der prowestlichen Revolution in der Ukraine begegneten und schließlich Putins Feldzug rechtfertigten. Er verspüre seither einen Hauch von Heimatlosigkeit.
Boris Schumatsky begreift den Blick vieler Deutscher auf Putin nicht nur als fatale Abkehr von den Idealen der Aufklärung, sondern als Folge einer Sinnentleerung, die sich im wohlstandsverwöhnten Westen eingenistet hat. Die Revolution hat eine Leidenschaft und einen Wagemut aufblitzen lassen, die man diskreditieren musste, um die eigene Feigheit und Ideenlosigkeit zu kaschieren. Putins Attraktion gründet Schumatsky zufolge nicht nur in gut eingeübten antiamerikanischen Reflexen der Linken, sie ist grundlegender: Sie wurzelt im postmodernen Lebensgefühl, das keine Fakten, sondern nur noch Interpretationen kennt. Der plurale Wahrheitsbegriff der Postmoderne wurde von Putin in die politische Praxis überführt. Sein Verfahren stieß hierzulande aufgrund der vulgären Rezeption von Foucault und Derrida auf Verständnis und Nachsicht. Die selbstkritische Manie, den Westen als eurozentristische, phallozentristische, logozentristische, irgendwie beliebige Konstruktion zu entlarven, verhalf mit einem Mal auch autoritären Gesellschaftsmodellen zu ihrem Recht.
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