Auf der Tafel der Todsünden von Bosch ist die vergängliche Trägheit durch eine Person repräsentiert, die es sich lieber in ihrem Sessel am Feuer bequem macht, anstatt sich der verwirrenden Aufgabe zu widmen, das Wort Gottes zu lesen, dass sich ihr in einer aufgeschlagenen Bibel anbietet, verführerisch aber sicherlich schwierig, und in Latein. Wir sprechen vom Mittelalter, wo Trägheit nicht zum Spaß ausruhen heißt; Trägheit bedeutet, dem besten der Genüsse nachgeben – der Ruhe – und so die störenden und unlösbaren Paradoxien zu vergessen, denen uns der Glaube aussetzt.
Lange vor der Moral, sagen wir seit Tausenden von Jahren, erfanden die Götter den Tod.
Sie taten dies mit dem einzigen Ziel, sich von den Menschen zu unterscheiden. Und den Atheismus zu überleben. Die Bedingung des Todes war seine Unumkehrbarkeit. Das war ein einfacher, elementarer Gedankengang. Die Welt wurde in zwei geteilt. Die Lebenden blieben seitdem von ihren Toten getrennt. Und der Pakt wurde mit einem Schlüssel besiegelt, der nicht benutzt werden durfte…
Die Toten haben Angst, Angst vor diesem unheilvollen Moment der Klarheit, in dem sieverstehen, dass sie tot sind, und dass dies für immer so ist. Und die Lebenden fürchten sich einfach vor allem. Vor allem. Ohne Prioritäten oder Gewissheiten.
Rafael Spregelburd (Oktober 2002)
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