Das international preisgekrönte Stück 'Kafkas Welten' wurde nominiert für den Kölner Theaterpreis und
David N. Koch für den Darstellerpreis PUCK 2009.
Kafkas Texte bergen vielfältige Geheimnisse. Zur Kennzeichnung des rätselhaft
Abgründigen
in diesen Texten gefällt uns die Vorstellung von einer „kafkaesken“
Welt. In dieser Welt dominiert ein Gefühl dunkler Ungewissheit
angesichts rätselhafter Bedrohungen, die von Mächten ausgehen, deren
konkrete Struktur nicht fassbar scheint. Sie erscheinen als mächtige
Behördenapparate, denen man hilflos ausgeliefert scheint. Die
„kafkaesken“ Zustände in Kafkas Welten üben auf uns einen Reiz aus. Das
peinigend Unentrinnbare, das in den Texten oft einhergeht mit düsterer
Komik, versetzt uns in wohliges Entzücken, je sicherer wir sein dürfen,
selbst niemals in derartige Situationen zu geraten. So gerät Kafkas Werk
aber auch auf eine diffuse Höhe des Unverbindlichen. Kafkas Welten
scheinen weit entfernt von unseren Alltagswelten.
Joe Knipp zeigt nun im Theater am Sachsenring, wie spannend und
erkenntnisreich es sein kann, „Kafkas Welten“ wieder in die
Alltagswelten zurück zu führen. Ausgangspunkt für Knipps Interpretation
ist die Erzählung „Die Verwandlung“. Die verunsichernde Geschichte von
der „eines Morgens“ stattgefunden habenden Verwandlung Gregor Samsas in
ein „ungeheures Ungeziefer“ verknüpft Knipp mit Textteilen aus der
Erzählung „In der Strafkolonie“, wo ein Offizier die Funktionsweise
einer grausamen Hinrichtungsmaschine dazulegen versucht, sowie einer
kurzen Passage aus dem „Brief an den Vater“.
Hier findet sich das Motiv für diese Inszenierung: Knipp greift die
von Kafka in diesem Brief thematisierte Auseinandersetzung mit einem
Furcht einflößenden Vater in einer autoritär geprägten Erziehungswelt
auf. Diese Erziehungswelt hatte bereits zu Zeiten Kafkas eine bis heute
populäre Darstellungsform in einem Kinderbuch erhalten:
Heinrich Hoffmanns Struwwelpeter.
Eben diesem Buch scheint David Koch entstiegen, wenn er die kleine nach
hinten sich verengende Bühne betritt: kurze braune Trägerwollhosen,
Suppenkaspargesicht. In dem nun folgenden furiosen Solo erobert er die
Bühne als Zappel-Philipp ebenso wie als Hans-Guck-in-die-Luft. Zunächst
aber lässt er uns an der Verwandlung Gregor Samsas teilhaben. Mit
wenigen klug eingesetzten Requisiten erspielt er das Szenario in der
Wohnung angesichts des ungeheuren Vorgangs der Verwandlung. Während der
immer exakt und souverän gesprochene Text Kafkas das Szenario als ebenso
kurioses wie dennoch reales Geschehen erscheinen lässt, deutet das
Spiel die andere Ebene an: Gregor Samsas Verwandlung erscheint als
Fantasie eines Kindes, hinter welcher ein Aufbegehren gegen die
patriarchalisch-autoritäre Familienwelt erkennbar wird. Zu dieser Welt
gehört auch das merkwürdig grausame Bestrafungssystem in der
Strafkolonie. David Koch wechselt unvermittelt in diesen Text und wieder
zurück. Mit allerhand neurotischen Verrenkungen erläutert der Offizier
dem Besucher die Funktionsweise der Hinrichtungsmaschine. Während er
noch in Worten das grausam-autoritäre Regime in der Strafkolonie
entstehen lässt, turnt David Koch über die Bühne bereits wieder als
Zappel-Phillip und Hans-Guck-indie-Luft.
Tickets:
18,00 € | 16,00 € | erm. 12,00 €
Weitere Informationen unter:
Telefon 0221 / 31 50 15
www.theater-am-sachsenring.de
theater.am.sachsenring@t-online.de