Bei Vibraphon denken vermutlich viele an Rhythmus und Groove, andere möglicherweise an komplexe harmonische Kaskaden. All das kann Karl Ivar Refseth selbstverständlich spielen, nachzuhören in den ersten Produktionen des Andromeda Mega Express Orchestra, beim Tied & Tickled Trio mit Billy Hart und seit gut vier Jahren bei Deutschlands innovativsten Indierockern The Notwist. Für sein eigenes Album Praying kreierte der in Berlin lebende Norweger eine individuelle Ästhetik. „Wenn ich komponiere, denke ich manchmal auch in Strukturen. Richtig am Ziel fühle ich mich aber erst, wenn ich einen besonderen Zauber in der Musik spüre“, erklärt Refseth. „Deswegen sind auf diesem Album viele Melodien, die man in ähnlicher Weise mögen kann wie einen Popsong.“ Letztlich geht es darum, etwas zu spielen, das man wirklich meint, ohne dabei cool sein zu wollen, findet Refseth. „Musik kann starke Aussagen machen, manchmal gerade in leisen, meditativen Momenten.“
Davon gibt es tatsächlich viele auf Praying. Kontemplative Kompositionen werden von Refseth, Christian Weidner und Matthias Pichler äußerst nuanciert umgesetzt. Das sensible Trio kennt die Intensität von pointiert gesetzten Klängen und Pausen, seine Arrangements wirken klar wie unberührte Natur an einem Wintertag. Ziselierte Noten, zurückhaltende Improvisationen und pastellfarbene Lautmalereien entwickeln eine seltene, anrührende Intimität. Unwillkürlich entsteht der Eindruck imaginärer Soundtracks. Refseths Musik gibt aber keine Bilder vor und hält sich von direkten Verweisen fern. So lässt sie Assoziationen in alle Richtungen zu. Dabei spielt die Haltung der Musiker eine entscheidende Rolle. „Sie vertiefen sich in die Noten, sind ungewöhnlich offen, denken musikalisch und nicht in Genres“, lobt Refseth seine Begleiter. „Christian hat mich schon früher beeindruckt. Er gehört zu jenen, die sich lieber in eine Band integrieren, statt als Solist vornedran zu stehen, was ich bei Saxophonisten oft erlebt habe. Und Matthias hebt mich mit seinem Spiel einfach zehn Stufen höher.“ Einen überwiegenden Teil des Repertoires schrieb Refseth erst nach Gründung des Trios, aber nicht direkt im Hinblick auf seine beiden Partner. „Ihre Persönlichkeiten stecken in den Freiheiten der Kompositionen, zwischen den melodischen und strukturellen Vorgaben.“ Bei aller selbstlosen Zurücknahme kann Weidner häufig eigene Klangideen einbringen, kontrastiert bisweilen sogar das glockenklare Vibraphon mit zart angerauten Saxophontönen. Ähnlich markante Akzente setzt Pichler einige Male mit dem Bogen. „Wir haben uns bei der Einspielung viel Zeit und Ruhe genommen, um die Stücke zu entwickeln“, unterstreicht Refseth die Ernsthaftigkeit des Trios. Dass sie als Aufnahmeort zwei norwegische Kirchen wählten, trägt zur warmen Atmosphäre der Musik bei.
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Heutiges Konzert:
Christian Weidner - alt-saxophone+ dodouk
Karl Ivar Refseth - vibraphone
Matthias Pichler - double bass
Tickets:
12,00 €
Weitere Informationen & Tickets unter:
www.xjazz.net