Rock & Metal in Köln

Wallis Bird

Sa. 01.02.20 19:00

''New Moon'' Tour

3 x 2 Freikarten

oder

Am Anfang ist die Wut. Was im Falle von Wallis Birds neuem Album durchaus wörtlich gemeint ist. Denn „WOMAN“ ist zwar eine erhebende, erhabene, ergreifende Platte voller Liebe, Seele und Empathie – aber bis dahin war es ein weiter Weg und ein stetiger Kampf, den die irische Songwriterin erst für sich entscheiden musste. Ein Kampf gegen die Arschlöcher, die Ewiggestrigen, die Schwarzmaler, die Hetzer – Feindbilder, die dieser Tage viel weniger abstrakt erscheinen, weil sie auf einmal im eigenen Bekanntenkreis rumstehen könnten. Es ist deshalb nur konsequent, dass dieses Album mit einem Lied beginnt, von dem Wallis selber sagt: „Am Wütendsten war ich bei ‚As The River Flows‘.


Es ist eine Art Konversation mit diesem extrem rassistischen Typen, den ich noch aus meiner Schulzeit kenne. Eine irgendwie auch traurige Gestalt. Ich glaube, der hat noch nie im Leben mit einem Schwarzen gesprochen und trotzdem dieses vernagelte Weltbild.“ Eines, das ja gerade Konjunktur hat: Sich ungerecht behandelt fühlen, aber lieber nach unten treten und zum Beispiel gegen Flüchtende hetzen. Wallis stellt ihn quasi zur Rede – mit Wut, aber eben auch mit einem letzten Appell an die Empathie: „What are you scared of / Aren’t you brave enough / To pave a basic decency for human kind?“


Sie singt auch einen Namen, der niemals in Vergessenheit geraten darf: Alan Kurdi. So hieß der kurdischstämmige, syrische Junge, dessen Leiche im September 2015 an der türkischen Mittelmeerküste angespült wurde, nachdem er beim Versuch Europa zu erreichen ertrunken war. „As The River Flows“ ist trotzdem kein aggressiver Punksong, sondern etwas, das Wallis augenzwinkernd „Solk“ nennt – eine Kreuzung aus Soul und Folk. Den Folk kennt man natürlich aus ihrem Oeuvre, lassen sich ihre bisherigen fünf Alben doch in diesem Genre verorten. „WOMAN“ jedoch neigt sich eher dem Soul zu. Denn der ist für sie eine essentielle Antwort auf die Frage, die nach der Wut kam: Wie kann man diese eigentlich überwinden? „In den letzten Jahren wurde ich, wurden wir alle permanent mit schrecklichen Nachrichten befeuert“, erzählt Wallis. „Überall Ungerechtigkeit, Konflikte, die wieder aufbrechen, Rechte, die immer lauter pöbeln und ein Maß an Umweltverschmutzung und fehlendem Respekt vor unserem Planeten, der mich schwindelig macht.


Ich musste mich einfach damit auseinandersetzen. Wenn ich mich schon auf die Bühne stelle und etwas singe, dann sollte es etwas sein, das sich dieser Probleme bewusst ist und vielleicht sogar etwas anbietet, das uns weiterhilft. Und bei mir ist das eben der Fokus auf Empathie, Hoffnung und die Kraft der Liebe.“ Genau das musikalisch zu vermitteln, entbehrt nicht einer gewissen Fallhöhe, derer sich auch Wallis auf charmante Weise bewusst ist. Wenn sie über die Gefühle, die „WOMAN“ durchziehen, spricht, lacht sie oft laut auf, schüttelt den Kopf und sagt: „Oh Gott, ich klinge wie eine Hippie-Braut!“ Oder: „Ach du scheiße, wollte ich gerade wirklich Lennons ‚Give Peace A Chance‘ zitieren?“ Dass sie aber eben nicht wie eine verstrahlte Hippie-Braut klingt, sondern wie eine Kämpferin, ist ihrer Stimme und ihrem Gitarrenspiel ebenso zu verdanken wie ihrer Hinwendung zum Soul, die vor allem in Stücken wie „Love Respect Peace“, „Woman Oh Woman“ und „Grace“ ihre volle Kraft entfaltet. „Soul-Musik war immer schon ein Vehikel für Liebe und dem Wunsch nach Veränderung.


Donny Hathaway, Reverend Al Green oder Roberta Flack haben in schweren Zeiten Musik geschaffen, die im Herzen positiv war, die sagte: ‚Ja, vieles ist Mist, aber lasst uns das ändern!‘ Ich bin mit diesen Liedern aufgewachsen und habe sie in letzter Zeit für mich wiederentdeckt. Weil sie mir Kraft gaben, wenn mich die Nachrichten mal wieder traurig und aggressiv gemacht haben und weil mich die Leute immer wieder bitten, diese Songs zu covern. Ich habe einige von ihnen also wieder neu gelernt und auf meinen Shows gesehen, was für eine Wirkung sie immer noch haben. Die Leute seufzen geradezu und merken intuitiv, dass diese Musik ehrlich und erhaben ist. Es ist Soul-Musik, keine Arschloch-Musik.“ Es war diese Erkenntnis, die Wallis mit in den sehr introvertierten Arbeitsprozess nahm.


Wie so oft spielte sie fast alle Instrumente selbst ein, zog sich mit ihrem Vertrauten – dem Produzenten Marcus Wuest, der schon die letzten fünf Alben begleitete – ins Studio zurück und tackelte die großen Themen, die ihr auf der Seele lagen. „Anfangs schrieb ich vor allem Basslines“, erinnert sich Wallis. „Vielleicht weil sie das Rückgrat vieler dieser Soulsongs sind.“ War ihr Vorgängeralbum „Home“ bisweilen geradezu schmerzhaft intim, suchte sie nun nach einem Sound, der die Leute in Bewegung versetzen kann. „Das ist mir wichtig: Denn es ist eine Zeit der Bewegungen. Wenn man sich von dem negativen Blick löst, sieht man, dass jede unerfreuliche Entwicklung, viele bunte, diverse leidenschaftliche Movements hervorbringt, die sich dem entgegenstellen.“ Wie gut das funktioniert, zeigt sich vor allem in „That’s What Life Is For“. Ihr schneller Gitarren-Anschlag beschleunigt den Puls, der Bass sorgt für das breite Kreuz, bis einem diese Zeilen vom Stuhl reißen: „Every day’s a school day.


You know it’s true. Re-write the rules, they’re written by fools. Hey - we could be equal - no one would lose! And that’s what life is for! I am an angry pacifist! And that’s what life is for!“ Das hat nix mit Hippietum zu tun – das hat Eier, das hat Herz, das lässt einen die Faust ballen, um zu brüllen: „Fuck, yeah! Endlich sagst mal jemand!“ Es kommt nicht von ungefähr, dass Wallis Bird mit ihrem sechsten Album diese erstaunliche Wucht entwickelt. Denn sie tut es aus einer starken Position heraus, an einem Punkt ihrer Karriere, der von Zusammenhalt und Liebe im Privaten wie im Beruflichen geprägt ist. Etwas, das sie ebenso erdet, wie es die Soulmusik getan hat. Wallis lebt seit Jahren glücklich mit ihrer Partnerin in Berlin, umgibt sich in ihrer Kunst mit Gleichgesinnten und Freunden – und hat ihre Karriere von Beginn an auf eigene Beine gestellt.


Nachdem die ersten zwei Alben noch auf einem großen Label erschienen, ist sie seit dem Dritten in Eigenregie unterwegs und erspielte sich ihr Standing auch und vor allem durch mittlerweile über 800 Shows in neun Jahren – auf Touren, die sie durch Australien, Neuseeland, Japan, Kanada, USA und natürlich Europa führten. Und wer Wallis einmal live erlebt hat, ihr Charisma spürt, ihre kraftvolle Stimme hört, ihr sehr eigenes Gitarrenspiel sieht, bei dem sie eine Rechtshändergitarre linksherum spielt – der wird definitiv wieder hingehen. Überhaupt: die Sache mit der Gitarre! Die Geschichte ist so dramatisch, das man sie immer wieder erzählen kann: Als Kind legte Wallis sich nämlich mit einem Rasenmäher an, verlor erst alle Finger der linken Hand, von denen vier wieder angenäht werden konnten.


Ihre Liebe zum Gitarrenspiel, die auch aus ihrer Kindheit stammt, fachte das jedoch eher noch an – und so schaffte sie sich eben als Linkshänderin, diesen ganz eigenen Stil an. Mittlerweile kann Wallis auch einige prominente Stimmen zu ihren Fans zählen: U2 featurten sie auf ihren Social-Media-Plattformen und Amanda Palmer erzählte in einem Interview, eines ihrer besten Konzerterlebnisse in letzter Zeit sei es gewesen, Wallis Bird auf dem Woodford Folk Festival zu sehen: „She was fucking destroying it!“ Wer jetzt entsprechend angefixt ist: Ab Oktober ist Wallis in Europa und also natürlich auch in Deutschland auf Tour. Und dann sind da noch all die Preise und Nominierungen in den letzten Jahren: Sie ist zweifache Gewinnerin des irischen Meteor Award (nationaler irischer Musikpreis), war dort nominiert für den Choice Music Price (irisches Equivalent zum Mercury Prize), bekam 2017 den Deutschen Musikautorenpreis der GEMA in der Kategorie Rock/Pop und war in diesem Jahr beim renommierten amerikanischen „International Folk Music Award“ in der Kategorie „Artist Of The Year“ nominiert.


Am wichtigsten ist bei all dem jedoch die Verbindung zu ihren Fans: „Ich bin eine Repertoire-Künstlerin. Ich hatte nie den einen großen Hit, oder das eine Album, das man haben muss. Viele Menschen, die meine Musik hören, tun das seit Jahren und sie wissen, dass ich mich auf meinem Weg weiter entwickle und dass ich mir manchmal bestimmte Themen genauer vornehme, die mich beschäftigen.“ Vielleicht ist es auch dieses Wissen, das ihr den Mut gab, ein solch starkes Album schlicht und schön „WOMAN“ zu nennen. Was natürlich ein Statement ist in diesen Zeiten. „Dieses Wort tauchte einfach immer wieder auf“, erzählt Wallis, „und provozierte Frauen und Männer aus meinem Umfeld ebenso.“ Genau diese Reaktion sei für sie dann entscheidend gewesen, „weil ich trotzdem fühlte, dass genau jetzt der richtige Moment dafür ist. Es fühlt sich normal an. Und es ist fair und richtig zu sagen, dass feminine Kraft auf dem Vormarsch ist.


Weil das längst überfällig ist. Wir müssen endlich einsehen, dass wir gleich verschieden sind. Wir sind Ying und Yang. Es gibt soviel, was eine Frau kann, ein Mann aber nicht. Und umgekehrt.“ Deshalb sei dieses Album nicht in Opposition zu sehen: „Es ist kein Album gegen Männer, es ist ein Album, das den matriarchalen Vibe in der Gesellschaft feiert, das einladen soll, Geschlechtergrenzen aufzulösen und zu verwischen.“ Die Kampfeslust bleibt dennoch ein Teil von Wallis: „Aber wenn ein Mann mir sagt, er werde nie im Leben ein Album namens ‚Frau‘ hören oder gar die Musik einer Frau, dann denke ich auch: ‚Fick dich! Dann habe ich dich wenigstens zur Weißglut getrieben.‘“ Interessant ist auch das kleinere „M“ im Titel, das nicht etwa ein Glitch oder ein Fehler ist, sondern ein 13 Prozent kleinerer Buchstabe. Warum 13 Prozent? Weil diese Zahl gerade den Gender Paygap in Wallis Heimat Irland ausmacht. Eine weitere Bedeutungsebene sei für Wallis die Entwicklung vom Mädchen zur Frau. „Ich bin jetzt 36 und nun kann wirklich niemand mehr behaupten, ich sei ein Mädchen.


Für mich hat diese Einsicht etwas mit Stolz zu tun. Ich bin stolz, dass ich eine Frau bin. Dieses Wort definiert für mich auch ein gewisses Alter und eine Erfahrung, die mir gut tut. Ich will auf diese Weise das Altern würdigen und dem Irrglauben entgegentreten, Popmusik sei nur etwas von und für junge Leute – was gerade bei Künstlerinnen immer noch oft behauptet wird, obwohl es sich längst geändert hat.“ All das (und noch viel mehr), was in diesem Text zur Sprache kommt, findet sich auch in dem wundervollen CoverArtwork der spanischen Künstlerin Maria Torres. Sie ist eine gute Freundin von Wallis‘ Lebensgefährtin und inzwischen auch von Wallis selbst. In langen Telefonaten sprachen die beiden über das Album und seine Themen, tauschten Ideen aus, die in Musik und Artwork gleichermaßen einflossen. „Ich liebe Marias Arbeit. Sie arbeitet oft mit sehr rauschhaften, esoterischen, aggressiven aber auch witzigen Storyboards und schafft es so, vermeintliche Tabuthemen in Verbindung mit Weiblichkeit offensiv anzugehen. Menstruation zum Beispiel.“


Ihre Bilder seien oft zärtlich und furchteinflößend zugleich, sagt Wallis – und man spürt dabei, dass sich hier zwei „angry pacifists“ gefunden haben. Marias Bild eignet sich damit mindestens genauso gut, wenn nicht gar besser, um all die Ebenen von Wallis Birds Album zu ergründen. Trotzdem sollte man beim ersten Hören all das hier vermittelte Wissen erst einmal zur Seite schieben, um sich der vollen Wucht dieser Musik auszusetzen. Denn sie tut wahnsinnig gut. In Zeiten, in denen ein Facebook-Rant den nächsten jagt. Fake-News von der Apokalypse schwadronieren, während die fortschreitende Umweltzerstörung noch viel zu wenig thematisiert wird.


In Zeiten, in denen man manchmal nicht weiß, wohin mit seinen Ängsten und seiner Wut - da tut es einfach gut, einer Frau zuzuhören, der es genauso geht. Die aber genug davon hat, in Zynismus und Lethargie zu verfallen und stattdessen all die wütenden Pazifisten zu den Waffen der Liebe ruft und sie auffordert, mit ihr einfach mal die Worte „Love! Respect! Peace!“ zu skandieren, bis man sich versichert hat, dass diese Worte zwar auch ein Klischee sein können, aber doch deshalb verdammt noch mal nicht falsch sind. 


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Foto: © Jens Oellermann

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iwieikarus

Geschrieben von iwieikarus

am Do. 14.12.23 13:53

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Das Gloria Theater Zelt nach wie vor zu den Premium Adressen für Pop-Kultur Veranstaltungen in Köln! Wir waren mal wieder begeistert von der schönen Stimmung im Saal mit vielen nostalgischen Anklängen und im Übrigen sehr zivilen Getränkepreisen!

iwieikarus

Geschrieben von iwieikarus

am Do. 14.12.23 13:52

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Basta
Do. 07.12.23 20:00

X-Mas Special

Nach dem Basta vor 23 Jahren einen unserer Geburtstage noch persönlich begleitet hatte und wir sie danach noch mehrfach gesehen haben, waren wir sehr erfreut, noch einmal bei einem Konzert dabeizusein. Für uns persönlich wäre das ein oder andere Original Basta Lied noch interessanter gewesen als die Weihnachtscovers. Dennoch schwappte die sensationelle Stimmung im Saal auch zu uns herüber!

Gaby66

Geschrieben von Gaby66

am Di. 12.12.23 18:39

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Sa. 09.12.23 15:00

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Tolles abwechslungsreiches Konzert mit super Stimmung. Wir haben uns sehr gefreut dabei sein zu können. Basta war und ist supi!