Theater in Hamburg

Die Übriggebliebenen

So. 13.10.19 19:00

Nach Thomas Bernhard

3 x 2 Freikarten

aus »Vor dem Ruhestand«, »Ritter, Dene, Voss«, »Auslöschung. Ein Zerfall«
Fassung von Karin Henkel und Rita Thiele


Es ist später Nachmittag an einem siebten Oktober: Im Elternhaus von Vera, Clara und Rudolf Höller wird ein Geburtstagsfest vorbereitet. Die drei Geschwister sind hier gemeinsam alt geworden, können sich nicht aus den Fängen ihrer Vergangenheit befreien und präsentieren ihr dauerndes Spiel von Macht und Unterwerfung, Umklammerung und Demütigung. Ebenfalls noch im Haus der verstorbenen Eltern wohnend bereiten zwei Schwestern ein Festessen für ihren aus einer psychiatrischen Klinik heimkehrenden Bruder vor. Auch hier deutlich spürbar: das verkrampfte Miteinander und gehässige Gegeneinander, das Anreden gegen die Bürden der Kindheit und der angstvolle Blick in die Zukunft.

Das letzte Fest des Lebens, eine Beerdigung, wird vorbereitet im Schloss Wolfsegg. Hier warten Amalia und Cäcilia auf ihren Bruder Franz, um die bei einem Autounfall verunglückten Eltern zu Grabe zu tragen. Franz Murau, der seiner Familiengeschichte durch ein Leben in Rom zu entkommen suchte, kehrt als Alleinerbe zurück und wünscht sich nichts sehnlicher als „alles auszulöschen, das ich unter Wolfsegg verstehe, und alles, das Wolfsegg ist.“

Drei Familien, drei gleichgeartete Geschwisterkonstellationen, die geprägt sind von „exzessivem Infantilismus“ (»Ritter, Dene, Voss«) und Todesnähe zugleich. In allen drei Familien ähneln sich die neurotischen Strukturen, wobei sie in »Vor dem Ruhestand « und in »Auslöschung« eine politische Zuspitzung erfahren, die der Alltäglichkeit eine skandalöse Dimension verleihen. Denn im Hause Höller feiert man, lange nach dem Zweiten Weltkrieg, heimlich Himmlers Geburtstag. Und hinter der Maske des rechtschaffenen Gerichtspräsidenten Höller verbirgt sich ein Nazi, ehemaliger KZ-Kommandant und Gewaltverbrecher, der seinem Leben nur durch die fortwährende Verherrlichung des Faschismus Sinn und Halt zu geben vermag. Seine Schwester Vera ist ihm fanatisch verbündet, während Clara als Opponentin agiert. Aber letztendlich ist auch sie unfähig, sich dem perversen Kerker ihres Zuhauses zu entziehen. In ähnlicher Verstrickung quält sich Franz Murau, seine Eltern haben nach Kriegsende über Jahre hinweg führende Nazigrößen in der sogenannten Wolfseggschen „Kindervilla“ versteckt. Murau ekelt diese Familiengeschichte. Umso härter trifft ihn die Erkenntnis, dass die katholisch-nationalsozialistische Erziehung durch die Eltern nach wie vor die Psyche der Schwestern, vor allem aber auch seine eigene, okkupiert.

In allen drei Texten beschäftigt sich Thomas Bernhard mit familiären Konstellationen, die Menschen anfällig machen für autoritär-patriarchalische Weltbilder, in zwei Fällen sogar für faschistische Vorstellungen. Als »Vor dem Ruhestand« 1979 uraufgeführt wurde, schrieb der Kritiker Benjamin Henrichs, die außerordentliche Qualität dieses Textes läge darin, dass Bernhard diese Anfälligkeit nicht aus aufgeklärter sicherer Ferne, sondern aus alarmierender Nähe beschreibe, er suche sie in jedem von uns. Ein beunruhigender Weg, den die Inszenierung von Karin Henkel in der Verknüpfung der verwandten Familienporträts verfolgen und untersuchen möchte. Zumal Veras Prophezeiung, „Es kommt der Tag, sagt Rudolf, wo er nicht mehr gezwungen ist, Himmlers Geburtstag in seinem Hause versteckt feiern zu müssen“ traurige Aktualität gewonnen hat.


Mitwirkende:
Lina Beckmann, Jean Chaize, Brigitte Cuvelier, André Jung, Jan-Peter Kampwirth, Angelika Richter, Tilman Strauß, Bettina Stucky, Gala Othero Winter und: Minna John, Leona Schübel


Hamburger Kinder- und Jugendkantorei St. Petri/ St. Katharinen unter der Leitung von Lena Sonntag: Johann Schubert, Bettina Nickel, Levke Grundwaldt, Lilia Franke, Falk Brieskorn, Josefine Timann, Lena Otto, Laura Lubitz, Theo Fischer, Leandra Franke, Laureen Fuchs, Moritz Engelbrecht, Luzy Köllner, Gracia Heim


Statisterie: Emma Torner, Alicitas Schaerig, Matilda Meny


Regie: Karin Henkel, Bühne: Selina Puorger, Kostüme: Muriel Gerstner, Klaus Bruns, Licht: Annette ter Meulen, Sound: Arvild J. Baud, Ton: Matthias Lutz, Christian Jahnke, Christoph Naumann, Video: Alexander Grasseck, Marcel Didolff, Dramaturgie: Rita Thiele


Einführung:
Am 13/10 laden wir Sie eine halbe Stunde vor Vorstellungsbeginn zu einer kostenlosen Stückeinführung im MarmorSaal ein (keine Anmeldung erforderlich, begrenzte Platzkapazität).


Dauer:
Zwei Stunden, Fünfundvierzig Minuten. Eine Pause.


Tickets: ab 9,00 € bis 40,00 € bei www.tickets.rzsthh.de


Weitere Informationen unter:
www.schauspielhaus.de


Foto © Lalo Jodlbauer

Weitere Informationen

Teilen

veranstalter logo

twotickets.de bedankt sich für die Zusammenarbeit. Pressetext und -foto mit Genehmigung von Deutsches SchauSpielHaus Hamburg. © liegen bei den Urhebern.

Für diese Veranstaltungen gibt es

26 Interessenten
daltona
Kante
~0-Bummel1910
MoniHH
runbnc
Fury
kultur1972
gerd1183
HitmanMeike
~0-eizonita40
wolle2019
Arasok33
JuleK
PeTaBerg
Musicallisa
~0-strotmac
dorispmfan
~0-Markus_Christoph
~2-kuno09
m.hagen1
53pp0
Nofruit
Kulturtage
olafkultur
Clarence57
~0-Kial
Erfahrungsbericht
0 Zeichen

Deine Gesamtbewertung

mwhf

Geschrieben von mwhf

am Mo. 20.01.20 19:35

Theater in Hamburg

Die Übriggebliebenen
So. 19.01.20 18:00

Nach Thomas Bernhard

Ich fand das ein super Theaterstück: Sehr gut gespielt, dabei bestens gehalten von vielen starken Spielern, ein großartiges Bühnenbild, eine sehr gelungene Komposition, die drei Berhard-Bücher zu einem Thema zusammenführt. Allerdings ein düsteres, unversöhnliches Stück.

runbnc

Geschrieben von runbnc

am So. 10.11.19 22:04

Theater in Hamburg

Die Übriggebliebenen
Fr. 08.11.19 19:30

Nach Thomas Bernhard

Lina Beckmann hatte mich bereits in ihrer Rolle im Stück "Rose Bernd" am Schauspielhaus begeistert. Wieder hat sie es geschafft, mich von ihrer Rolle komplett zu überzeugen und mit in das Stück ziehen zu lassen. Nicht weniger fabelhaft hat auch das restliche Ensemble gespielt. Gerade die Unterschiedlichkeit der einzelnen Charaketere hat die Dynamik im Spiel durchweg auf einem hohen Niveau gehalten. Der Besuch dieses Stücks, in dem der Nationalsozialismus auf eine erschreckend greifbare Art und Weise thematisiert wird, lag für mich kurz vor dem Tag, als sich die Reichspogromnacht zum 81. Mal jährte. Sicherlich wäre ich aber auch ohne diesen zeitlichen Zusammenhang nachdenklich aus dem Stück herausgegangen.

OlgaHH

Geschrieben von OlgaHH

am Do. 03.10.19 14:31

Theater in Hamburg

Die Übriggebliebenen
So. 29.09.19 19:30

Nach Thomas Bernhard

Das Stück läuft schon, während die Menschen eintreten. Das - und die unheimliche Stimmung, die durch die geschminkte Blässe der Erwachsenen und die Kinder erzeugt wird - zog mich sofort in das Stück, wo ich sonst noch oft ein paar Alltagsgedanken nachhänge. Das sehr dichte Spiel und der - leider - aktuelle Bezug von nationalsozialistischem Denken, lässt es zusätzlich "näher" kommen. Ein ebenso unangenehme wie faszinierende gegenseitige Abhängigkeiten von Menschen in ihrem Leid. Lose-lose-Situation. Wir fanden den Abend super. Ein Punkt Abzug nur weil mir andere Stücke im Schauspielhaus schon besser gefielen.