Welche Formen eines schwulen, lesbischen, bi- und transsexuellen Filmschaffens kennt die deutsche Filmgeschichte? Welche Filme waren Vorläufer und Wegbereiter, welche Werke Schlüsselfilme der queeren Bewegung? In welchen historischen Phasen zeigte sich die deutsche Filmgeschichte offen für queere Diskurse? Die Filmreihe Homosexualität_en, die die gleichnamige Ausstellung des Schwulen Museums* Berlin und des Deutschen Historischen Museums begleitet, unternimmt eine Passage durch die Geschichte des Queer Cinema in Deutschland.
Neben Filmen, die erst Jahrzehnte nach ihrer Erstaufführung öffentlich als schwule oder lesbische Werke diskutiert wurden, versammelt die Retrospektive vor allem die Arbeiten eines selbstbewussten queeren Filmschaffens, das vorherrschende ästhetische Formen in Frage gestellt und die Entwicklungen homosexueller Selbstermächtigung und Emanzipation befördert hat. Darüber hinaus hält die Reihe Beispiele für die Transformationen bereit, die queere Stoffe, Erzählungen und Formen bei der Adressierung eines breiten, jenseits der Szene beheimateten Publikums erfahren haben. Wir danken Birgit Bosold und Manuela Kay für ihre Hinweise und Tipps. Medienpartner sind die Magazine Siegessäule und L-MAG.
Heutige Vorführung:
Faustrecht der Freiheit
BRD 1975, R: Rainer Werner Fassbinder, B: Rainer Werner Fassbinder, Christian Hohoff, K: Michael Ballhaus, D: Rainer Werner Fassbinder, Peter Chatel, Karlheinz Böhm, Adrian Hoven, Harry Baer, Peter Kern, 123‘ · 35 mm
Interessanterweise scheint dieser für Fassbinder ungewöhnlich offen von homosexuellen Beziehungen erzählende Film in keiner Weise selbst von der schwulen Emanzipationsbewegung der 1970er Jahre erfasst zu sein. In der mittleren, der Sirk-Phase seines Werks entstanden, ist das Milieu bourgeoiser Homosexueller, in das es einen schwulen arbeitslosen Schausteller verschlägt, so austauschbar wie die Art der Liebe, durch die die Hauptfigur, nach Döblin „Franz Biberkopf“ genannt und von Fassbinder selbst gespielt, ausbeutbar wird und letztlich zugrunde geht. Es ist die materielle Gier einer kapitalistisch orientierten Gesellschaft, die die Beziehungen prägt – und so zählt Faustrecht der Freiheit in komödiantischer Zuspitzung zunächst den Geldbetrag präzise herunter, um den der ahnungs- und machtlose Held nach und nach von seinen neuen Freunden betrogen wird, um dann in einem melodramatischen, vorhersehbaren Parabel-Schluss die bittere Moral zu verkünden: Respekt kann man nicht erkaufen.
Dass die zum damaligen Zeitpunkt selten derart prominent in Filmen repräsentierte schwule Szene quasi als besonders grausame Erscheinungsform des geldgeilen Bürgertums inszeniert wird, hat einige Filmkritiker sehr enttäuscht. Doch wenn man die Liebe per se als „das beste, hinterhältigste und wirksamste Instrument gesellschaftlicher Unterdrückung“ (Fassbinder, Süddeutsche Zeitung, 8.3.1979) versteht, wird nachvollziehbar, dass auch Formen nicht-heterosexuellen Zusammenlebens diesbezüglich wenig utopisches Potenzial beigemessen werden kann. (jk)
Tickets:
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