Theater in Berlin
Von Ilona Schulz und Dania Hoh
3 x 2 Freikarten
„Das Leben kann nur in der Schau nach rückwärts verstanden, aber nur in der Schau nach vorwärts gelebt werden.“ Soren Kierkegaard
1945, Stunde Null. Hinter „uns“ der zerstörerische Größenwahn, vor „uns“ die Zerstörung. Dieses Sprachbild zeigt das Ausmaß und die unfassbare, perfide organisierte Vernichtung der jüdischen Bevölkerung. Das ist so ungeheuerlich, dass daneben alles andere Leid verblasst. Aber es ist da. Millionen Deutsche stehen vor dem Scherbenhaufen ihres eigenen kleinen Lebens, Überlebens, geplatzter Träume, zerstörter Heimat, Flucht, Vertreibung und den Verlust nahestehender Menschen.
Was passiert mit den Menschen der schuldigen Nation? Wohin mit Scham, Schuldgefühlen, Trauer über Verlorenes, Wut über Verblendung, Enttäuschung, Verletzung, Erschöpfung?
Keine Zeit: Wiederaufbau. Die keimende Hoffnung, doch noch einen kleinen Zipfel Glück zu erwischen oder wenigstens Frieden, ein bißchen „Normalität“ – Liebe vielleicht – man will nach vorne schauen und nicht zurück. Aber wohin mit der eigenen Not?
Unter den Teppich!
Auf der Grundlage einer Auswahl von Briefen der Eltern der Schauspielerin Ilona Schulz von Kriegsende 1945, Flucht, Gefangenschaft und Rückkehr, haben Dania Hohmann und sie eine Collage erstellt.
Mitwirkende:
Konzept / Dramaturgie: Ilona Schulz / Dania Hohmann
Texte / Textbearbeitung: Ilona Schulz
Regie: Dania Hohmann
Ausstattung: Eva-Maria Henschkowski / Lolita Hindenberg
Schauspiel: Ilona Schulz
Musikalische Leitung: Manuel Weber
Produktionsleitung: Nanna Rohlffs
Tickets:
12,00 € | erm. 8,00 €
Weitere Informationen unter:
www.theateruntermdach-berlin.de
Foto: privat
Tickets
Theater unterm Dach
Veranstaltet durch
Theater unterm Dach
twotickets.de bedankt sich für die Zusammenarbeit. Pressetext und -foto mit Genehmigung von Theater unterm Dach. © liegen bei den Urhebern.
Für diese Veranstaltungen gibt es
Whouw! Ein beeindruckendes Theatererlebnis! Was wissen wir von unseren Eltern? Was haben wir aus ihrem Leben gelernt? Was können wir unseren Kindern davon weitergeben? All diese Fragen werden aufgeworfen, wenn man sich etwas Zeit nimmt, mal ihre Briefe zu lesen und über sie nachzudenken. Sie mußten die schweren Traumen der Kriegsjahre unter den Teppich kehren. Aber dann folgt ein schizoides Verhalten: Die glückliche Familienmutter, die todunglücklich war und ihre „Nerven im Krieg gelassen hatte“, die die Diebesbeute der Tochter lieber verbrennt und „vergißt“ als Probleme zu bekommen. Das „Wir müssen reden“ der Tochter wird von Ihrer Tochter mit „Mamma, Du redest zu viel!“ beantwortet. „Falsch, Kleines!“ möchte man rufen: „Es tut sicher weh, aber ist nötig!“
Ilona Schulz (Jahrgang 1955 wie ich selbst) hat es gewagt, die traumatischen Kriegs- und Fluchterfahrungen ihrer Eltern anhand von "geerbten" Briefen ihrer Eltern aus dieser Zeit in einer sehr warmherzigen, einfühlsamen und anrührenden Weise auf die Bühne zu bringen: Sie schlüpft mit Hilfe von wenigen Requisiten wechselweise in die Rolle ihrer Mutter, ihres Vaters und sich selbst als Kind und Jugendliche und lässt sehr lebendige Portraits entstehen: Die damals 16-Jährige Mutter, die den 11 Jahre älteren Vater als Kollegen ihres Vaters beim Kaffeklatsch 1937 kennenlernt, ihn kurz vor Kriegsbeginn heiratet. Der Vater - bei Kriegsbeginn 30 Jahre alt und NSDAP-Mitglied - schreibt seiner jungen Frau zärtliche, sehnsuchtsvolle Briefe. "Hunger auf Leben" wird spürbar, der aber nach der 8-jährigen Trennung der Eheleute durch Krieg, Gefangenschaft, existentielle Not und Flucht tragisch untergeht in einer versteinerten "Gefühlspanzerung" des Vaters und einer zwischen Pseudo-Heiterkeit (Piccolo-Sekt und "Davon geht die Welt nicht unter"-Schlagern) und Nervenzusammenbrüchen pendelnden Labilität der Mutter. Die Kindheit der Schauspielerin wird davon überschattet und prägt sogar noch die Enkel-Generation: Nach dem erlittenen Schweigen und Tabuisieren versucht Ilona Schulz als Mutter "über alles zu reden und ihrer Tochter zu erklären", "bloß keine Geheimnisse zu haben" und muss dann von ihr die eingeforderte "Wahrheit" erfahren: "Mama, du redest zu viel !" Sehr intensiver, eindringlicher und berührender Abend mit einer Fülle von nachdenklich machenden Impulsen, auch in der eigenen Biographie Parallelen zu finden..
Für diesen Abend kann es gar nicht genug Sterne geben. Einfach großartig und stimmig in der Machart und das Thema für wohl für jeden jenseits der 50 unter die Haut gehend und direkt betreffend. Für Jüngere aber, gibt es eine intensive Lehrstunde der ganz anderen Art über eine Zeit, die in den Schulen meist nur mit trockenen Zahlen und Fakten behandelt wird. Ilona Schulz ist da etwas ganz Besonderes gelungen, das sollte man einem breiten Publikum zugänglich machen.