Museen in Berlin

Odarodle

Do. 03.08.17 18:00

Sittengeschichte eines Naturmysteriums, 1535-2017

1 x 2 Freikarten

Aus einer postkolonialen Perspektive heraus nimmt die künstlerisch-forschungsbasierte Ausstellung Odarodle – Sittengeschichte eines Naturmysteriums, 1535-2017
erstmals Archivbestände und die Geschichte des Schwulen Museums* Berlin
in den Blick. Die Ausstellung lädt ein zum Nachdenken über
problematische Zusammenhänge zwischen der musealen Darstellung von
Homosexualitäten und den Darstellungsweisen der Ethnologie im Kontext
des europäischen Kolonialismus. Odarodle präsentiert Arbeiten von
16 Künstler*innen, die größtenteils in Berlin leben, darunter zehn
speziell für die Ausstellung entwickelte Kunstwerke. Das Museum selbst,
seine Arbeit und das Archiv bieten sich als ästhetisches Medium an und
liefern gleichzeitig zahlreiche Recherchematerialien, die die jeweiligen
zeitgenössischen Positionierungen ermöglichen.


Odarodle dreht das Wort „Eldorado“ bewusst um. Dabei bezieht Eldorado
sich auf drei unterschiedliche Ursprungsgeschichten: eine
zeitgeschichtliche Ausstellung, einen legendären Nachtclub und einen
kolonialen Mythos. Auch wenn die Selbstverpflichtung des Schwulen
Museums*, die Sichtbarkeit von LGBTIAQ* zu ermöglichen, seiner
politischen Agenda angemessen ist, erfordert diese Aufgabe konstante
Überprüfung und Reflexion. So möchte Odarodle das für die Moderne
grundlegende Verfahren, Lebensweisen, Körper und Lebensräume zur Schau
stellen zu wollen, kritisch hinterfragen. Denn hier trifft der Wunsch
ethnographischer Museen, Un_Sitten von „Völkern“ und ihre vermeintliche
Natur ausstellen zu müssen, auf postkoloniale Infragestellungen: als
historisch geschaffener Schauplatz, der versucht das Wesen des
sogenannten „Anderen“ darzustellen und damit das „Andere“ als normative
Konstruktion aufrechterhält.


Der Ausgangspunkt des Projekts ist die Ausstellung Eldorado: Homosexuelle Frauen und Männer in Berlin 1850-1950 – Geschichte, Alltag und Kultur,
die 1984 im damaligen Berlin Museum in West-Berlin eröffnete und vom
Schwulen Museum* als institutioneller Anfang betrachtet wird. Ausgehend
von rechtlichen, medizinischen und literarischen Diskursen über die
„Natürlichkeit“ von Sexualitäten und das gleichgeschlechtliche Begehren
als „Identität“, legte die Ausstellung Eldorado ihren Fokus auf
das kulturelle und soziopolitische Klima der 1920er und 30er Jahre in
Berlin. Dokumente, Fotographien, Stiche und Gemälde wurden in Vitrinen
und auf thematisch angeordneten Tafeln ausgestellt, während mit
alltäglichen Gebrauchsgegenständen eine Umgebung erschaffen wurde, die
eine „reale“ Atmosphäre vermitteln sollte – das Boudoir für schwule
Männer*, das Café für Lesben*, die Cruising Area im Tiergarten.


Der Titel der Ausstellung bezog sich auf das berühmte Kabarett Eldorado,
das als erstes seiner Art 1926 in der Martin-Luther-Straße in Berlin
eröffnete und ein zweites Lokal 1928 an der Ecke
Motzstraße-Kalckreuthstraße gründete. Bekannt war der Nachtclub für
seine extravaganten „Travestieshows“, in denen Männer* als Frauen*
verkleidet auftraten. Das Eldorado galt als sexuell und politisch
diverser Begegnungsort, an dem Ortsansässige und Zugereiste zusammen
kommen und feiern konnten. Das Lokal wurde zur symbolischen Heimat
queerer Einwohner*innen Berlins, die wenig später mit der
Machtergreifung der Nationalsozialist*innen jedoch als „entartet“ - als widernatürlich - galten. 


Solch Rassismus und Gewalt gegen die oder eine
konstruierte Andersartigkeit sind nicht einfach aus dem Nirgend_Wo
entstanden: vielmehr griffen sie die Widersprüche der kapitalistischen
Moderne auf und verstärkten sie, insbesondere aufgrund der instabilen
Kategorie „Natur“. Was die Ausstellung Eldorado ignorierte, nimmt Odarodle
nun auf – die „Geschichten der (Homo)Sexualitäten“ sind tief verwoben
mit Konzepten der Naturgeschichte.  Hier schließlich taucht das dritte
Eldorado – der koloniale Mythos – auf. Schon ab dem 16. Jahrhundert
zeugen europäische Quellen von einer verschollenen Stadt aus Gold, im
Norden Amazoniens an den Ufern des Orinoco Flusses gelegen. Diese
Gerüchte befeuerten einen Wettlauf um Reichtum, Macht und Land. Die dort
lebenden Wesen und ihre Umwelten wurden von Kolonisator*innen als
„Andere“ wahrgenommen, exotisiert und erotisiert: Menschen und
Nicht-Menschliches wurden als Proben dokumentiert und zu Forschungs- und
Ausstellungszwecken, ferner zur Unterhaltung der Massen, nach Europa
gebracht. Gleichzeitig wurden diese sogenannten „Naturvölker“ und ihre
Körper, Begehrens-, und Verwandtschaftsformen auf brutale Art und Weise
als anders, abnormal, primitiv und fremdartig gekennzeichnet.


Odarodle legt die Anachronismen der drei
Eldorados in einer Serie von Inszenierungen dar, in die die Kunstwerke
sorgfältig eingebettet sind. Statt Kulturgeschichte didaktisch zu
erzählen, wählt die Ausstellung künstlerische Forschungsarbeiten und
damit eine sinnliche Form des Nachdenkens das zugleich unterschiedliche
Perspektiven und ungelöste Fragen erlaubt. Was sind Probleme und
Potenziale der Selbstrepräsentation? Wie wäre ein „queeres Museum“ der
Zukunft, dass in der Lage wäre Geschichte(n) vom Sonst_Wo und Sonst_Wie
in einer Art und Weise zu versinnbildlichen, die die Darstellung des
Seienden erschwert?


Odarodle – Sittengeschichte eines Naturmysteriums, 1535-2017
wird von einem öffentlichen Programm begleitet, das Performances,
Interventionen, Rituale, Filme und Diskussionsrunden beinhaltet sowie
eine umfangreiche Forschungspublikation. Zudem wird im September ein
dreitägiges Symposium stattfinden, das Raum gibt für Diskussionen und
Experimente zu Fragen, Ideen und Konzepten des Projekts. 


Kuratorenführung mit Ashkan Sepahvand I Die Führung findet auf Englisch statt.


Laufzeit:
21. Juli 2017


- 16. Oktober 2017


Tickets:
6,00 €


Weitere Informationen unter:
www.schwulesmuseum.de

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6.00 €

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twotickets.de bedankt sich für die Zusammenarbeit. Pressetext und -foto mit Genehmigung von Das Schwule Museum in Berlin e.V.. © liegen bei den Urhebern.

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pittiplatte

Geschrieben von pittiplatte

am Di. 17.11.15 22:07

Galerien & Ausstellungen in Berlin

Homosexualität_en
Fr. 06.11.15 14:00

Schwules Museum Berlin

Wir waren wirklich sehr angetan. Die Ausstellung ist sehr abwechslungsreich, voller überraschender Momente, ohne Effekthascherei. Wer sich Zeit nimmt und auf die Ausstellungsstücke einlässt wird nicht enttäuscht.

TomTom09

Geschrieben von TomTom09

am Sa. 11.01.14 20:51

Galerien & Ausstellungen in Berlin

Friedrich Wilhelm Murnau - Die privaten Fotografien
Fr. 10.01.14 14:00

Sonderausstellung im Schwulen Museum Berlin

Die Ausstellung zu Friedrich Wilhelm Murnau hat große Lust gemacht, sich die alten Filme mal wieder anzusehen. Murnau hat ein offenbar spannendes Leben geführt und war in Gesellschaft vieler attraktiver junger Männer. Die vielen Fotos, die er bei vielen Gelegenheiten gemacht hat, überzeugen von seinem künstlerischen Geschick. Amüsant war es, das Testament Murnaus zu lesen. Ein Besuch des Schwulen Museums in seinen neuen ansprechenden Räumlichkeiten lohnt auf jeden Fall.

pittiplatte

Geschrieben von pittiplatte

am So. 06.10.13 02:45

Galerien & Ausstellungen in Berlin

Transformation
Fr. 04.10.13 14:00

Ausstellung im Schwulen Museum Berlin

Also die Chronologie war manchmal schwer erkennbar und der Bezug zu unserer schwulen Welt teilweise etwas zu subtil. Ich vermisse ehrlich gesagt die schwule Geschichte wie sie im alten Schwulen Museum dargestellt wurde. Die Ausstellung zu Ades Zabel ist toll. Der Rest ist nett bis bemüht.