Michail Kusmin "Flügel"

Buchvorstrellung: Florian Mildenberger liest und erzählt aus

„Flügel” von Michail Kusmin

gerade neu erschienen in der Bibliothek rosa Winkel/Männerschwarm Verlag

Schwulenromane vor 1970 haben meist den gleichen Handlungsstrang: Junger Mann, gepeinigt von Selbstzweifeln, trifft Seelenverwandten, kurzes Glück, dann folgt Verrat und entweder bringt sich einer der beiden um und der andere heiratet eine Frau oder sie sterben beide. Ganz anders liegt die Sache bei Michail Kusmin. Sein Protagonist ist zwar ein unsicherer junger Mann, der aber fest entschlossen ist, die ihn umgebende Welt zu ergründen. Das ist das großbürgerliche St. Petersburg in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Hier lernt er einen älteren Freund der Familie kennen, wobei die Wertschätzung gegenseitig ist und weder in Skandal noch Selbstmord endet. Stattdessen gibt es ein Happy End in Form einer schwulen Beziehung im sonnigen Italien. Bis es soweit ist, erfahren Protagonist und Leser viel über wankende gesellschaftliche Moralvorstellungen, die Besonderheiten von Dampfbädern für Herren und wie schmal der Grat zwischen Prostitution und Liebe sein kann.

Florian G. Mildenberger (geb. 1973) lebt als Privatgelehrter in Berlin. Forschungsschwerpunkte: Heilkundliche, sexuelle und soziale Subkulturen im 19./20. Jahrhundert.